Haselnüsse aus der Schweiz – oder der Türkei?
Haselnüsse sind gefragt. Nicht nur als gesunder Snack. Die Bäckerei- und insbesondere die Süsswarenindustrie importieren ca. 10`000 Tonnen Haselnüsse pro Jahr. Die Haselnüsse dafür kommen aber vorwiegend aus der Türkei. Die Schwarzmeerregion ist somit der wichtigste Player im Haselnussmarkt – von dort stammen knapp 80% der Haselnüsse weltweit. Und das, obwohl die Haselnuss neben der Walnuss und Edelkastanie eigentlich bei uns heimisch ist.
Bio-Landwirt Andreas Gauch setzt in seiner Baumschule im aargauischen Niederwil auf die Haselnuss als ökologisch nachhaltige Alternativkultur. Auf dem Reusshof bewirtschaftet er eine Haselnussplantage von 1,7 Hektaren. Seine 700 Haselnussbäume bringen im 6. Standjahr einen Ertrag von 1,5 Tonnen. Doch der Weg dorthin war lange. «Bei mir wachsen die Haselnüsse nicht wie üblich an Sträuchern, sondern auf Bäumen. Beigebracht habe ich mir alles selbst durch Recherchen und praktischem Lernen in der Forschungsanstalt Agroscope», so Gauch. Unter Einbezug angepasster Sorten ist er hierzulande erfolgreich. Sein Geheimnis: Tiefwurzelnde Haselnussbäume der Sorte Corylus Colurna werden auf einer Höhe von 1m veredelt. Dort wächst dann die Kultursorte und wird wie ein Obstbaum erzogen.
Wer knackt die Haselnuss? In der Schweiz ist es Andreas Gauch. Der Haselnusspionier hat mit angepassten Sorten experimentiert, eine neue Anbautechnik und ein effizientes Erntesystem entwickelt. Damit geht der Bio-Landwirt ganz eigene Wege und wagt sich an eine absolute Nischenkultur.
Haselnussproduktion in der Schweiz
Für die Schweiz ist die Haselnuss eine Kultur mit vielen offenen Fragen. Dazu braucht es noch intensive Forschungsarbeit. Schweizer Landwirte, die zum heutigen Zeitpunkt in den Haselnussanbau einsteigen, sind Pioniere und auf sich gestellt. Eine weitere Schwierigkeit ist momentan insbesondere auch die fehlende Möglichkeit, an gutes Pflanzmaterial heranzukommen.
Erst beobachten und lernen
Wenn einer intensive Nachforschungen betrieben hat, dann Andreas Gauch. Bevor er 2012 seine Baumschule in Niederwil ins Leben gerufen hatte, bereiste er während 2 Jahren mit dem Wohnmobil die umliegenden Länder und Regionen, wo Haselnüsse angebaut werden: Zum Beispiel im Piemont, in Frankreich, aber auch in Deutschland und Österreich. Erst beobachten und lernen, dann selbst umsetzen, das war seine Devise.
«Mit meinem Forschungs- und Spionage-Mobil, wie ich es nannte, war ich aber nicht überall gerne gesehen». Ein Austausch mit Landwirten vor Ort sei zwar meistens möglich gewesen, aber die Forschung blieb hinter verschlossenen Türen. Andreas Gauch ist selbst unter die Tüftler gegangen, hat viel ausprobiert und experimentiert. Von Fehlern lernen – das konnte er, denn so einige Fehler hat er auf Haselnussplantagen beobachtet: «Problematisch waren die Sträucher, die viel zu dicht gepflanzt wurden. Dies mindert den Ertrag. Ausserdem ist die Ernte mühsam, wenn die Nüsse auf den Boden fallen.» Sein Ziel war eine Haselnussplantage, die sich ähnlich wie eine Obstanlage bewirtschaften lässt. So begann der Schweizer Bio-Landwirt, die Haselnuss auf Baumhasel zu veredeln.
Die Haselnussplantage in Niederwil
Andreas Gauch setzt auf pflegeleichte, grossfruchtige Sorten. Seine Haselnussbäume haben keine lästigen Wurzelaustriebe wie der Busch. «Ob Haselnüsse auf Bäumen mehr Ertrag liefern, müssen wir noch beweisen», so Gauch. Der Haselnussbusch bildet jedoch nur Nüsse, wo viel Licht dazukommt. Ein lichtes Baumsystem könnte sich also nicht zuletzt auch wegen der einfacheren Ernte besser etablieren.
Nüsse sind ein heikles Gut
Die Ernte erfolgt in der Regel im September und Oktober, wenn die kostbaren Nüsse von selbst auf den Boden fallen. Hier liegt jedoch die Krux, denn für Qualität und die weiteren Verarbeitungsschritte, wie etwa Röstung und Mahlung, ist es wichtig, dass der Feuchtigkeitsgehalt in den Nüssen optimal ist. Wenn sie zu lange am Boden liegen, besteht die Gefahr von Schimmel und Bakterien. So hat Andreas Gauch ein effizientes Erntesystem entwickelt: Er spannt Netze in seiner Plantage und vermeidet damit den Bodenkontakt der Nüsse.Das System ist doppelt effizient, denn er hat eine Maschine gebaut, welche die Nüsse komplett sauber direkt vom Netz einsaugen kann. Der Tüftler- und Pioniergeist hat ihn weit gebracht: Er spart Zeit bei der Ernte und kann die Qualität der Haselnüsse erhöhen. Nach der Ernte müssen die Haselnüsse aber dennoch gut getrocknet werden. Gauch breitet sie dazu auf grosser Fläche im Anhänger in der Sonne aus.
Aromatische Überraschung
Geknackt, geröstet, gemahlen und weiter verarbeitet zu einer aromatischen Haselnusscreme. Gauch bietet in seinem Hofladen auf dem Reusshof geschmackvolle Haselnuss-Köstlichkeiten an. Kein Vergleich zu herkömmlichen Produkten, die Aromatik der gerösteten und gemahlenen Haselnüsse ist überwältigend. Ein Teil der Schweizer Haselnüsse von Andreas Gauch werden im Foifi und im Zollfrei, zwei Zero-Waste-Läden in Zürich, unverpackt zum Verkauf angeboten.
Ein weiterer Teil der Haselnüsse wird als Hauptzutat des «Hazelburgers» weiterverarbeitet. Mit diesem Projekt hat Leander Dalbert den Grand Prix Bio Suisse 2020 gewonnen. Eine glückliche Fügung, Dalbert hat sich den Reusshof als Lehrbetrieb ausgesucht, da er mehr über den Anbau von Ackerkulturen mit Bäumen lernen wollte, sein Interesse gilt insbesondere der Permakultur und Agroforstsystemen. Ziel war es, die Haselnuss aus der süssen Ecke zu holen und wieder als Grundnahrungsmittel zu etablieren.
Haselnussprojekt in Georgien
Das Wissen des Bio-Landwirts rund um den effizienten Haselnussanbau ist nicht nur hierzulande gefragt. So kooperiert Andreas Gauch bereits seit mehreren Jahren mit Camille Bloch, dem Schweizer Schokoladeproduzent, der Ragusa mit ganzen Haselnüssen herstellt. Er hilft dem Chocolatierunternehmen, eine eigene Plantage mit veredelten Haselnussbäumen aufzubauen. Ziel des Projekts ist die Sicherstellung einer Eigenproduktion. Sie möchten sich zu grossen Stücken von der Abhängigkeit der Haselnussproduktion in der Türkei lösen. In einem Grossprojekt wurde international nach einem Standort mit geeignetem Land und Boden gesucht. Gauch berät und stellt sein Wissen zur Verfügung. In Georgien sind sie fündig geworden. Hier beginnen sie, eine Haselnussplantage nach Schweizer Vorbild aufzubauen. Die Dimension dieses Projektes gibt Gauch die Möglichkeit, sich auf internationalem Parkett auch mit anderen Akteuren zusammenzuarbeiten. Für einen Wissensaustausch setzt sich Gauch auch hier ein, so hatte er früher Veredelungskurse angeboten. Aktuell fehlt ihm aber die Zeit dazu, das Projekt in Georgien spannt ihn ein. So werden zurzeit auch alle Bäume in Gauchs Baumschule für das Haselnussprojekt in Georgien produziert.
Der Reusshof als Lern- und Experimentierfeld
Bei diesem innovativen Landwirt mag es kaum erstaunen, dass ein Teil seines Hofs mit Stacheldrahtzaun umrundet ist und mit Videokamera und Bewegungsmelder überwacht wird. Dabei geht es aber nicht etwa um die Nuss: Gauch stellt ein Feld der Firma Pure Gene zur Verfügung, die 2020 zum ersten Mal in der Schweiz zu Forschungszwecken offiziell THC-haltigen Hanf anbauen. Wir dürfen also gespannt sein, was es auch in Zukunft vom Reusshof zu hören gibt.
Der Reusshof
Andreas Gauch ist ein Pionier der Haselnussproduktion in der Schweiz. Auf dem Reusshof in Niederwil (AG) führt er eine Plantage mit 700 Haselnussbäumen. Mit starker Innovationskraft hat er an veredelten Sorten getüftelt. Unterstützung erhält er durch seinen Mitarbeiter Leander Dalbert (Gewinner Grand Prix Bio Suisse 2020) und den Baumschulist Daniel Link. Der Reusshof beheimatet ausserdem fünf Schleiereulen, die äusserst effiziente Mäusefänger sind. Weitere Informationen finden Sie hier: www.gauchs.chTipp: Im eigenen Hofladen sind verschiedene Haselnuss-Spezialitäten erhältlich
Text und Bilder: Maya Frommelt